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Offener Brief zum Thema „Ostfeld“

Dieser Beitrag stammt von Ralf Schaab, „Ureinwohner“ von Wiesbaden-Erbenheim und Sprecher der Landbesitzer im Ostfeld.
Er gibt die Meinung des Autors wider und nicht notwendigerweise die des Bündnis Stadtklima. Warum ist dieser Beitrag dann hier zu finden? Weil wir denken, auch die Perspektive der Landwirte zu den Vorgängen sollte Erwähnung finden.


Wiesbaden, den 28.11.2019

Die Unverfrorenen Teil 2

Es geht um die bedeutende Abstimmung am 12.12.2019 im Stadtparlament, ob eine Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme (SEM) nach § 165 BauGB durchgeführt werden soll (Ex-OB Gerich bezeichnete es als das schärfste Schwert der Baugesetzgebung!). Ohne Alternative sollen die Stadtverordneten entscheiden! Warum? Weil einige der Teilnehmer an diesem Milliardenprojekt unbedingt in den Teil 2 des Buches von Herrn Hetrodt kommen wollen?!

Was regt einen dabei so auf?

  • Es ist die Ohnmacht gegenüber der städtischen Willkür, oder besser gesagt gegenüber den Mitarbeitern der städtischen Verwaltung und ihrer Macht, Land an sich zu reißen, was ihnen nicht gehört.
  • Es sind falsche Kalkulationen der SEG, die den Stadtverordneten vorgaukeln, es gäbe nur eine Möglichkeit das Ostfeld zu entwickeln.
  • Es sind die übertriebenen Gehälter der Manager, der Gutachter und Geschäftsführer, die in keiner Weise dazu beitragen, günstigen Wohnraum zu schaffen. Aber die Landbesitzer, die den Boden zur Verfügung stellen faktisch enteignen. Das ist eine Unverschämtheit. Wir werden als normale Bürger von Wiesbaden von der eigenen Verwaltung über den Tisch gezogen.

CDU-Lorenz spricht von einem „Bombengeschäft“ und die SEG rechnet mit 200 Mio € Verlust bei der Verwirklichung des Ostfeldes. Was stimmt?

Heruntergebrochen auf die aktuelle Situation in Wiesbaden gab es in den vergangenen Jahren Wertsteigerungen im Bereich Bauland von 80-100%. Diese sind durchaus marktkonform in unserer freien Marktwirtschaft. Bei hoher Nachfrage steigt der Preis. In Gebieten, wo der Bedarf geringer ist, sinkt der Preis für Bauland! (nicht in Wiesbaden…. Weil es so schön ist!)

Die „Krönung“ der Bodenkontrolle soll nun am 12.12. im Stadtparlament beschlossen werden. Das Ostfeld soll im Rahmen des § 165 gebaut und optimal vermarktet werden. Grundlage sind die großflächigen faktischen Enteignungen von vielen kleinen Landbesitzern (Bürger und Bauern von Wiesbaden!), die im zukünftigen Ostfeld ein Stückchen Land besitzen. Und diese privaten Landbesitzer habe nichts mit Baulandspekulation zu tun! Deren einfache Verhandlungsgrundlage an die Stadt Wiesbaden nach normalem Baurecht sind 80€/m². Das ist normal und im Vergleich zu den Preisen von 2009 Wertsteigerungen von moderaten 10%. Einen normalen Preis will die Stadt aber den Eigentümern nicht bezahlen. Die Kommune will die Differenzgewinne abschöpfen. Und die Differenz zwischen normalem Preis (80€) und deren Verkaufspreis (1.000€) reicht ihr nicht für die Errichtung einer neuen Trabantenstadt mit neuen Stadtbahnanschlüssen und Kanalisationspumpen über Berge und Täler.

Deshalb wird der Eigentümer nach § 165 zwangsentschädigt zum Wiesenpreis von 9€/m. Das geschieht, wenn die Stadtverordneten am 12.12.2020 für die Anwendung des § 165 (Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme, SEM) stimmen. Und leider steht nur diese einzige Alternative zur Abstimmung. Leider hat die SEG versäumt auch eine weitere realistische Alternative zur Abstimmung ins Parlament zu bringen (zumindest bislang!). Nämlich die Entwicklung des Ostfeldes in einer parzellierten Form:

  1. Das BKA und Gewerbe bei Erbenheim;
  2. Die umweltrelevanten Objekte am Dyckerhofbruch in Biebrich;
  3. Wohnbebauung am Fort Bieler (Mz.-Kastel) nach normalem Baurecht.

Das wäre genauso schnell durchführbar und erheblich gerechter, als die vielzähligen Enteignungen.

Was die Kommune Wiesbaden dann allerdings von den Bauträgern fordern würde, sind 1.000€/m². Das ist durchaus marktkonform. Aber das erklärt immer noch nicht die hohen Mieten (die es auch im Ostfeld geben muss!). Die Bauten kosten heute ein Vielfaches mehr als noch vor 20 Jahren. Die Auflagen sind erheblich gestiegen, die Isolation, der Wärmeschutz, Schallschutz, die Technik, die Materialien. Alles kostet mehr und dann kommen m²-Preise von 4.000-5.000€/m2 für Eigentumswohnungen heraus. Inklusive Gewinn für die Bauträger/Unternehmer!

Und, wir haben enorme Kostensteigerungen beim städtischen Personal. Weniger bei den Bauarbeitern, aber beim Management, den Gutachtern, den Architekten etc. (SEG Stöcklin/ Guntrum beide ca. 200.000€/a, ESWE Höhler 370.000€/a). Fazit: Wenn die Stadtverordneten das Ostfeld nach § 165 am 12.12.19 beschließen, dann freuen wir uns bereits jetzt auf das Buch „Die Unverfrorenen, Teil 2“.

Was könnte eine sinnvolle Alternative sein:

  1. Die Entwicklung der Stadt in Teilschritten nach normalem Baurecht, wie oben beschrieben. Wir wollen das BKA alle in Wiesbaden behalten, aber, wenn es auf einem 30 ha Gelände bei Erbenheim zusammengeführt wird, dann werden auch viele Immobilien innerhalb Wiesbaden frei. Das sorgt für eine städtebauliche Dynamik.
  2. Die abfallnahen Firmen und Recyclingfirmen sind gut im Bereich des Dyckerhofbruches aufgehoben. Das Land gehört bereits komplett der Stadt Wiesbaden und braucht gar keinem § 165. Ob wir eine Müllverbrennung benötigen, obwohl benachbarte Müllverbrennungen nicht ausgelastet sind und der Verpackungsmüll abnimmt, müssen die Fachleute (ggf. die Politiker) entscheiden
  3. Ob das Wohngebiet um das Fort Biehler, hinter der Müllverbrennungsanlage und kurz vor dem Militär Flughafen Erbenheim überhaupt vermietbar ist (ohne zu viele Folgeklagen) bietet auch noch genügend Zündstoff für die Zukunft.
  4. Die Kosten- und Einnahmestrukturen lassen sich erheblich zugunsten von mehr Wirtschaftlichkeit verschieben, auch mit fairer Bezahlung für die Eigentümer! Kostenreduzierung beim Management, den Ausgleichsflächen und bei der Infrastruktur würden wirklich zu bezahlbaren Wohnraum führen!

Die Wiesbadener Fachämter und unserer neuer OB Mende täten gut an einem Moratorium und an der Ausarbeitung von alternativen Entwicklungsmöglichkeiten im Ostfeld. Dann können wir auch wieder stolz sein auf unsere Stadt Wiesbaden sein und deren faire Entwicklung unterstützen!

Mit erwartungsvollen Grüßen,
Ralf Schaab

(„Ureinwohner“ von Wiesbaden-Erbenheim)
Sprecher der Landbesitzer im Ostfeld

c/o Hof Erbenheim
Oberfeld 30
65205 Wiesbaden