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Anmerkungen und Erläuterungen zur Presserklärung

BI „Erhalt des Grüngebiets und Wäldchens an der Helios HSK“ – 24.02.2021

Alternative Bauoptionen –
könnten sie ein positives Zeichen für eine ökologisch bewusstere, klimagerechte Baupolitik von Helios und GWW sein?

Im Stadtteil Freudenberg/Dotzheim gibt es ein ca. 40 Jahre altes Wäldchen und Buschgebiet von ca. 2,7 ha, das ein als „Ruderalfläche“ ausgewiesenes Grüngebiet umgibt. Es ist eine Ausgleichsfläche, die für den Bau der (alten) Klinik angelegt wurde. Es wurde bisher von einer Bebauung verschont, weil dort die Notfall-Hubschrauber der Helios HSK landen, die Patienten bringen, welche dringende Hilfe brauchen. Dadurch konnte sich auch – wenig gestört – ein Domizil für Tiere, Insekten und Pflanzen entwickeln. Vor allem aber stellt es, nach den Klima-Karten des Umweltamtes Wiesbaden, ein wertvolles Kaltluftentstehungsgebiet und einen wichtigen Trittstein lokaler Biotopvernetzungen für Vögel, Insekten und Reptilien dar.

Helios und GWW haben nun ihr Augenmerk auf dieses Gebiet geworfen. Es soll mit bis zu 200 Wohneinheiten (7 Wohntürme, 1 Riegel) überbaut werden. Helios verspricht, dass dort, nach dem gegenwärtigen Stand der Planungen, in den Wohnungen ihre Pflegekräfte wohnen sollen. Es soll ja nicht nur „geklatscht“ werden, das wird hier gerne als Rechtfertigung angeführt.

Ökologisch bewusstere Vorschläge der Bebauung von bereits versiegelten Flächen oder zur Nutzung bestehender Gebäude, werden jedoch von den Planern nicht erstellt und zur Seite geschoben (dazu später mehr). Solche Alternativplanungen gehören eigentlich zum Standard jeder Stadtplanung.

Die von der Helios GWW beauftragten Gutachter der Fa. Ökoplana bestätigen zwar die ökologische Wertigkeit des Gebiets, sie kommen trotzdem zum Schluss, dass durch die verdichtete Bebauung für den Stadtteil nichts „gravierend“ schlechter würde als bisher. Ist das ein vernünftiges Ziel? Bau-Planer im Zeitalter des Klimawandels müssten Anpassungsstrategien und „antizipative Vorsorge“ in Betracht ziehen, meint das Hessische Landesamt für Naturschutz und Geologie (HLNUG). Davon ist im Gutachten von Ökoplana nichts zu spüren. Die Richtlinien des VDI für die Bestimmung dessen, was „wesentliche und unwesentliche“ Verschlechterungen für Kaltluftzonen sind, wurden im September 2020, also nach der Erstellung des Gutachten (!), wohl wegen der kritischen Klimaentwicklung noch einmal überarbeitet und verschärft.

Das Gutachten der Firma Ökoplana ist aus unserer Sicht lückenhaft und unzureichend. Wir zitieren dazu aus einer Stellungnahme des NABU vom 17.2.021: „Das Klimagutachten erscheint (…) insgesamt als zu kleinräumig und nicht aktuell.“ So bezieht das Gutachten von Ökoplana z.B. die Situation der Stadtteile nordwestlich des Grüngebiets (Dahlienweg, Sonnenblumenweg, Margaritenweg, etc.) nicht mit ein. Der Zusammenhang dieses „Überwärmungsgebiets“ (Klimafunktionskarte Wiesbaden) mit dem Grüngebiet, dessen Topografie (Hanglage) und mögliche entlastende Luftströmungen werden nicht thematisiert.

Das bestätigt auch der renommierte Experte Professor Dr. Katzschner in einer Korrespondenz mit der BI: „Das Mikroklima wird stark verändert. Im Gegensatz zu den Aussagen wird die Nachbarschaft mit beeinflusst. Gerade weil dort nachts geringere Windgeschwindigkeiten auftreten, ist der Raum sensibel. (…) Ein Jahresgang sollte aber gemessen werden (Berechnungen sind da nicht ausreichend). Bei Messungen ist immer der Jahresgang zu berücksichtigen. Da im Untersuchungsgebiet auch ein charakteristischer Tagesgang festgestellt wurde, sind kontinuierliche Messungen in stündlicher Auflösung sinnvoll.“ Dafür schlägt er die „Überprüfung der Modelle“ durch „Aufstellung einer Messstation“ vor.

Die von den Städten Wiesbaden und Mainz beauftragte KLIMPRAX-Studie des Deutschen Wetterdienstes und der HLNUG hat auch für dieses Gebiet eine bedeutsame Erhöhung heißer Tage und Tropennächte vorhergesagt!

Wenn wir nun den Blick auf den jetzigen und zukünftigen Zustand des gesamten riesigen Geländes der Klinik werfen, – die übrigens immer noch Eigentum der Stadt Wiesbaden und seiner Bürger ist, – so stellt sich hier außerdem die Frage nach einem ökologischen „Masterplan“ für das gesamte Gelände am Freudenberg mit seinen Grünanteilen. Diese Aufgabe kann man nicht von einem privatwirtschaftlich agierenden Gesundheitskonzern erwarten und muss deshalb von der Stadt Wiesbaden übernommen werden.

Zu dieser Gesamtsicht merkt der NABU an: „So wurde komplett noch nicht berücksichtigt, dass im östlich angrenzenden Gebiet 2020 viel Fläche zusätzlich versiegelt wurde durch den Neubau des Zwerg Nase Hauses und der Errichtung eines Gymnasiums (zurzeit erstmal Übergangscontainer). Hier wird durch zusätzliche Versiegelung und zudem auch neue Windbarrieren die Klimabilanz zusätzlich verschlechtert, die Auswirkungen auf jede weitere Bebauung haben wird. Ein sachlich richtiges Gutachten kann erst erstellt werden, wenn auch diese Bebauungen abgeschlossen sind, was noch mehrere Jahre dauern wird.“

Deswegen fordert unsere BI einen ökologischen „Masterplan“ für das gesamte Klinikgelände, denn auch weitere Bauplanungen auf dem Gebiet sind zu erwarten. (“Gesundheitscampus“).

Auch die Entstehung eines Grüngebiets („Park“) durch den Abriss von Gebäuden wäre im wörtlichen Sinne hier nur ein „Tropfen auf den heißen Stein“. Das kann kein Ersatz für ein Kaltluftentstehungs- gebiet und Biotop darstellen (keine Hanglage, etc), aber u.a. auch deshalb, weil schon von Anfang an von Seiten der Planer die Rede war, dass das Gelände in einigen Jahren vermutlich erneut für eine Bebauung zur Verfügung stehen müsste (Abriss des jetzt neuen Gebäudes und Neu-Bau gegenüber).

Besonders das artenschutzrechtliche Gutachten der Helios GWW Gutachter wird vom NABU kritisch bewertet. Das Grüngebiet und das Wäldchen stellen wichtige „Trittsteine“ für Vögel, Insekten und andere Tiere dar, deren „Wohnraum“ durch die aktuelle Bebauungspolitik von immer neuen

Grünflächen sowieso immer mehr abnimmt. Der Baulärm und die erlaubte Fällung größerer Bäume aufgrund der seit 2018 stattfindenden Bauarbeiten haben bereits viele Vögel vertrieben, Vögel, die Anwohner seit langem kennen, die aber jetzt natürlich von dem Gutachten nicht mehr katalogisiert werden können. Es ist also zu erwarten, dass, wenn dieses Gebiet zur Ruhe käme, die Tier- und Pflanzenwelt sich dieses Grüngebiet (zurück)erobern würde.

Dieses Grüngebiet und Wäldchen ist für den Stadtteil ein wertvolles ökologisches Erbe, das für ein grünes und nachhaltiges Freudenberg steht. Wir fordern ein wirklich unabhängiges und vollständiges Gutachten für dieses Gebiet und die geplanten Baumaßnahmen.

Die Stadtverordneten haben 2019 in verantwortungsvoller und vorausschauender Weise den „Klimanotstand“ für Wiesbaden erklärt. Er beinhaltet, dass alle relevanten Bauprojekte, und dazu zählt auch die verdichtete Bebauung des Grüngebiets, erneut auf die Waage gelegt werden müssen und die Gewichte neu kalibriert werden müssen. Ein einfaches „Wegwiegen“ ökologischer Fakten kann es so nicht mehr geben.

Wir als BI für den Stadtteil haben nichts gegen den Bau von Werkswohnungen für Pflegekräfte der Helios HSK einzuwenden, auch wenn wir den Optimismus der Investoren nicht teilen, dass dadurch der sogenannte „Pflegenotstand“ beseitigt wird. Dazu werden wirksamere Mittel erster Wahl in der Öffentlichkeit diskutiert.

Die BI hat alternative Bebauungsvorschläge entwickelt und unterbreitet für die Erstellung von Betriebs- Wohnungen auf bereits versiegelten Flächen oder bestehenden Gebäuden der Klinik. So wäre die Überbauung von den – sich im Sommer extrem aufheizenden – Parkplatzflächen mit begrünten, ökologischen Gebäuden und ebensolchen Dächern (was tatsächlich beim jetzigen Neubau der Klinik versäumt wurde) ein positives Zeichen; ein Zeichen für ein ökologisch bewusstes, klimagerechtes Vorgehen von Helios und GWW.

Planer bemängeln, dass auf den Parkplätzen bereits Bäume stehen. Die Umpflanzung von Bäumen ist jedoch technisch durchaus machbar und war und ist in anderen Städten durchaus üblich. Es müssten nicht alle Bäume umgesetzt werden, da nicht die gesamten Parkflächen bebaut werden müssten.

Ein weiterer Einwand der Helios GWW bezieht sich darauf, dass sich durch eine möglicherweise nötige Änderung des Bebauungsplanes eine Verzögerung des Baus ergeben oder dass der Pächter der Parkplätze sich querstellen könnte. Dazu zitieren wir aus einem Schreiben von Herrn Dr. Schmehl (SPD Fraktionsvorsitzender), 9.2.21 an die BI: „(…) angesichts der klimatologischen Bedeutung dieser Flächen bedarf es aber eines umfassenden Abwägungsprozesses. Insbesondere sind alternative Flächen am Standort, wie etwa der Parkplatz, intensiver zu prüfen. Nach unserer Auffassung hat man diese Alternative zu früh verworfen. Die vorhandenen (eher jungen) Bäume und die Notwendigkeit, einen B- Plan zu ändern, sollten nicht zum frühzeitigen Ausschluss dieser Variante führen.“

Eine gewisse Verzögerung des Baus wäre aus unserer Sicht vertretbar, wenn man bedenkt, was auf dem Spiel steht. Wird das Grüngebiet bebaut, so ist es verloren. Es geht hier nicht um eine „Augen-zu-und-durch-Politik“, sondern um eine verantwortungsvolle Abwägung. Die BI und die Anwohner wollen bei der Erörterung von Alternativen beteiligt werden und als Betroffene „am Tisch sitzen“.

Angemerkt sei zusätzlich, dass auf dem Gelände der Helios HSK auch andere versiegelte Flächen im Randgebiet des geplanten Geländes vorhanden wären, die für eine Bebauung in Betracht werden könnten.

Eine ebenfalls abzuwägende Alternative ist der (auch teilweise) Erhalt und Umbau bestehender Gebäude. Zu diesem Thema bemerkt der Stararchitekt Tadao Ando: „Die Betonherstellung produziert Abfallprodukte. Die Menschheit sollte das Problem direkter angehen. Wir müssen die Zahl neuer Gebäude reduzieren und stattdessen bestehende Gebäude aufrechterhalten und länger nutzen (…)“ (SZ Magazin 27.9.2019). 60% des gesamten Abfalls in Deutschland sind Bauschutt, unsere Zementindustrie erzeugt – kaum reglementiert – mehr Klimagase als Flugverkehr und alle Rechenzentren der Welt zusammen.

Die aktuelle Petition der „architectsforfuture“ vom 20.12.2020 an den Deutschen Bundestag greift diesen Notstand ebenfalls auf. Deren Forderung Nr. 5 lautet: „Abriss vermeiden – Sanierung fördern“.

„Der Schutz von Bestandsgebäuden muss durch ein Gesetz geregelt werden, das Abriss nur genehmigt, wenn er sozial und klimanotwendig ist. Sanierungen werden, über den Denkmalschutz hinaus, förderungsfähig und ihre energetische Quote wird deutlich erhöht.“

Architects for Future: Umfassendes Maßnahmenpaket für ein klima- und sozialverträgliches Bauen

Den Erhaltungswert und den guten Zustand der Gebäude hat das Deutsche Architekturmuseum bereits in einem Offenen Brief vom 22.10. 2019 an die Stadt Wiesbaden festgestellt. Dieser mahnt: „Die schlicht gestalteten Bettenhaustrakte spiegeln (…) den bewusst minimalistischen Umgang mit dem Baumaterial wider, was heute in Zeiten der Ressourcenknappheit wieder wegweisend sein sollte.(…) Aufgrund der erwähnten Aspekte legen wir Ihnen mit Nachdruck den Erhalt und die Umnutzung dieses Gebäudekomplexes nahe, ggf. im Sinn von Dr. Horst Schmidt zu sozialen Zwecken bzw. sozialen Wohnungen. Der Abriss einer gerade erst vierzigjährigen, in seiner Bausubstanz noch soliden Gebäudekomplexes und die Neubebauung bedeuten einen doppelten Verbrauch von Ressourcen.

Eine durchdachte Sanierung und Umnutzung hingegen ist dem Nachhaltigkeitsgebot unserer Zeit wesentlich angemessener.“ Und das Landesamt für Denkmalschutz weist am 4.11.2019 auf „erhaltenswerte Qualitäten, vor allem vor dem Hintergrund eines bemerkenswerten baulichen Zustands“ hin.

In welche Höhen werden die enormen finanziellen und ökologischen Kosten steigen, die bei der Entsorgung entstehen? Für Stadtplaner mit ökologischem Anspruch stellt sich hier die Frage nach einer Neuverwendung bestehender Gebäude weit dringender. Sie sollte also von einem neuen Standpunkt aus beantwortet werden. Die ökologische Bilanz eines Abrisses der bestehenden Gebäude und die Entsorgung der Betonmassen müssten von vornherein im Auge behalten werden.

Die politischen Entscheidungsträger der Stadt sind aufgefordert, diese Argumente bei ihren Abwägungen stärker zu berücksichtigen. Das ist wohl auch gemeint, wenn es im Beschluss zum Klimanotstand vom 18.6.2019 heißt: „Die Folgen des Klimawandels betreffen auch Wiesbaden. Die beispiellose Hitze- und Trockenperiode 2018 sowie auch die Stürme und mit Hochwasser verbundene Starkregenereignisse der vergangenen Jahre haben uns bereits deutlich spüren lassen, was dieser Stadt bei zunehmender Klimaerhitzung in verstärktem Ausmaß droht. (…) Leider zeigt die Klimaschutzbilanz 2017, dass die selbst gesteckten Ziele der Landeshauptstadt mit den bisherigen Mitteln und Maßnahmen nicht annähernd zu erreichen sind.“

In diesem Sinne fordert die BI „Erhalt des Grüngebiets und Wäldchens an der Helios HSK“ eine verstärkte Anstrengung und besonders eine erneute Abwägung mit Beteiligung von Fachleuten und betroffenen Anwohnern.

Sprecherrat der Bürgerinitiative „Erhalt des Grüngebietes und Wäldchens an der Helios HSK“

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