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„Erhöhen sich die Kosten für das Ostfeld auf eine Viertel-Milliarde Euro?“

„Erhöhen sich die Kosten für das Ostfeld auf eine Viertel-Milliarde Euro?“

Presseerklärung der Aktionsgemeinschaft “Hände weg von Os/Ka” zu den Kosten einer Eisenbahnstrecke am Ostfeld, vom 4. Februar 2022

Hände weg von Os/Ka: Lässt Eisenbahnanbindung Kosten für das Ostfeld vollends explodieren?

Für die geplante Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme (SEM) Ostfeld gibt es klare Auflagen vom Stadtparlament [1] und der Regionalversammlung. [2] Eine Erschließung per Schienenanbindung gehört dazu.

Nach dem Aus für die Citybahn braucht es eine Alternative. „Die Kosten für eine Eisenbahnstrecke sind in der aktuellen Kosten- und Finanzierungsübersicht nicht enthalten. [3] Warum eigentlich nicht?“ fragt Philipp Pfefferkorn von der Aktionsgemeinschaft Hände weg von Os/Ka.

„Hände weg von Os/Ka“ hat die Kosten für eine ‚Ostfeldlinie‘ zusammengerechnet: „Der Neubau einer Eisenbahnstrecke könnte 134 Mio. Euro kosten. Das Defizit am Ostfeld würde sich auf einen Schlag von -113,5 Mio. auf -247,5 Mio. Euro erhöhen. [4] Zur Erinnerung: als das Stadtparlament 2020 die Maßnahme beschlossen hat, war nur von -72 Mio. Euro die Rede. [5]

„Knapp eine Viertel-Milliarde Euro an öffentlichem Geld für 4.750 Wohnungen.[6] Das hieße, die öffentliche Hand zahlt einen Zuschuss von mehr als 50.000 Euro pro Wohnung. [7] Welche Gegenleistung bekommen wir als Stadtgesellschaft dafür? „Weder Grund und Boden noch die Wohnungen sollen in öffentlichem Eigentum verbleiben. [8] Und: Belegrechte für Sozialwohnungen haben ein Ablaufdatum. Sie enden nach einigen Jahrzehnten.“

Wie kommen die 134 Mio. Euro zustande?

Das Gelände zwischen Erbenheim und Mainz-Kastel ist für eine Eisenbahnstrecke extrem schwierig. Es müssen zwei Autobahnen (A66 und A671) und die ICE-Strecke Wiesbaden-Köln [9] überwunden werden. Diese Strecke würde viele Brücken brauchen. Da das Baugebiet in Nord-Süd-Richtung voll durchquert werden soll, würde der zentrale Bahnhof im Ostfeld sogar unterirdisch gebaut. [10] Hinzu kommt ein Höhenunterschied von 35 Metern. All das macht die Sache teuer.

In der Sitzungsvorlage aus dem November 2021 wird die Finanzierung von zwei Bahnhöfen in die Kostenrechnung eingepreist [11] – aber nicht die Streckenführung selbst! Versehen oder Vertuschen? 

„Auch wenn die Stadt bereits eine Machbarkeitsstudie beauftragt hat, kann das kein Grund sein, Kosten dieser Größenordnung auszublenden,“ kritisiert Pfefferkorn und merkt an, dass bei allen Kalkulationen die dramatischen Preissteigerungen im Baugewerbe von 10% und mehr [12] ebenfalls nicht berücksichtigt werden.

Und um eine mögliche Antwort des Oberbürgermeisters gleich vorweg zu nehmen – auch Fördergelder aus dem Landes- oder Bundeshaushalt (z.B. nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG)) sind öffentliche Gelder. Und für alle Fördergelder muss sorgsam abgewogen werden, wofür man sie ausgibt. Besonders bei der Frage nach dem Kosten-Nutzen-Verhältnis für eine Eisenbahnstrecke von lediglich 3,5 km.

Die Öffentlichkeit darf nicht länger im Unklaren gelassen werden. Die Baukosten einer ‚Ostfeldlinie‘ müssen – und sei es nur grob gerechnet – jetzt in die Kosten- und Finanzierungsrechnung aufgenommen werden! Alles andere wäre den Wiesbadenerinnen und Wiesbadenern gegenüber unehrlich,“ meint Pfefferkorn.

„Eine Salami-Taktik hilft hier nicht weiter“ denn „egal, wie man zum Ostfeld steht, nur eine zügige Abarbeitung der Auflagen schafft Klarheit. Und Klarheit braucht es dringend, denn Auflagen sind untrennbar mit Kosten verbunden.“ Konsequenzen werden daraus scheinbar in Wiesbaden nicht gezogen. Denn das hätte Auswirkungen auf die alles entscheidende Frage: „Ist das Projekt noch zu retten, oder sollte es besser aufgegeben werden? Jeder Tag an dem die Stadtoberen an ihrer ‚Augen zu und durch‘-Taktik festhalten, kostet Steuergelder. Gelder die wesentlich besser für tatsächlich bezahlbaren Wohnraum eingesetzt werden könnten.“

Wiesbaden, 04.02.2022

Philipp Pfefferkorn,
für die Aktionsgemeinschaft „Hände weg von Os/Ka“

weitere Veröffentlichungen der Aktionsgemeinschaft:
www.buendnis-stadtklima.de/haende-weg-von-oska/

Lfd Nr.In KoFi 2021
enthalten?
Neubau?Ingenieur-Bauwerk?
1ab Wiesbaden HBF: Nutzung der Ländchesbahn
(Strecken-Nr.: 3509, Abzweig Kinzenberg, dann Nr. 3501, vmax = 90-100 km/h) 
2Neubau Haltepunkt „BKA“: Ausgleisung westlich des Haltepunkts BKA. Haltepunkt BKA: zweigleisig, südliche Trasse am Haltepunkt zweigt ab zur „Ostfeldlinie“XX
3(Mehrfelder-) Brücke, ca. 240 m, aufgeständert: Querung des Wäschbachtals (Überführung) und zur Querung der BAB 66XX
4Brücke, ca. 70 m, zur Querung der ICE-Strecke Breckenheimer Verbindungskurve (Strecken-Nr.: 3509) mit parallelem Fuß- und Radweg (Ostfeld ↔ Erbenheim), dann DammlageXX
5Umlegung von Feldwegen (südlich der Breckenheimer Verbindungskurve, im Bereich lfd. Nr. 4)(X)
6Übergang Richtung Ostfeld, zum Teil in Trogbauweise, auf ca. 200-250 m gedeckeltX(X)
7Neubau zentraler Haltepunkt „Stadtquartier“ mitten im Baufeld, Trogbauweise („unterirdisch“): ca. 300 m zweigleisig, barrierefrei durch AufzügeXXX
8eingleisige Fortführung im Übergang vom Trogbauwerk zur Dammlage (Ausführung in max. Zulässige Neigung bzw. Steigung)X(X)
9Schleife, leicht in östliche Richtung ausgreifend, auf schlankem aufgeständertem Brückenbauwerk, übergehend zur Querung der BAB 671XX
10Neubau von 4 Masten der bestehenden 110 kV-Hochspannungsleitung (parallel zur BAB 671) Zweck: Abstandswahrung zur „Ostfeldlinie“, die die Stromtrasse unterquert.(X)
bzw. Ersatz-
Neubau
11Fortsetzung des Brückenbauwerks in westliche Richtung, bis bei maximaler Neigung eine Dammhöhe von 3 m (und weniger) erreicht ist:
Bauweise aus klimatischen Gründen, Ziel: vom Ostfeld abfließenden Kaltluft hat geringere Hindernisse
XX
12niveaugleiche Eingleisung auf die Bestandsstrecke Richtung Mainz (Mainzer Umgehungsbahn,
Strecken-Nr.: 3525, vmax = 80 km/h)
X
Zusammenstellung: Abschnitte, Ingenieurbauwerke und Streckenparameter „Ostfeldlinie“

Annahmen:

  • Auslegungsgeschwindigkeit: 80 bis 100 km/h. Elektrifizierung nicht eingeschlossen.
    Gesamte Streckenlänge: 3450 m.
  • Kosten der Baumaßnahme: 134 Millionen, Stand 2021.

Die 134 Mio. Euro beinhalten nicht zusätzliche Planungs- und Managementkosten, die aus der Integration einer Eisenbahnlinie in das Gesamtprojekt entstehen. Das gleiche gilt für Grunderwerb, Ausgleichsflächen und Nutzungsbeschränkungen. Weitere Kosten können durch optimierte Anpassung an Naturschutzräume, die Grundwasserführung und klimatische Vorgaben entstehen.

Die Berechnungen und Einschätzungen begründen sich u.a. aus den folgenden Unterlagen:

  1. Machbarkeitsstudie ÖPNV-Erschließung Wiesbaden Ostfeld, Präsentation 01.12.2020
  2. Sitzungsvorlagen-Nr.: 21-V-05-0008 „MBKS leistungsfähige ÖPNV-Erschließung“
  3. MBKS Wiesbaden-Ostfeld vom 06.02.2021 [13]
  4. Baukosten: Bahntrassen, Hochbauten, Tiefbau, Tunnel und Brückenbauwerke, aktuelle Kostenvergleiche mit Neubaustrecke Wallauer Spange. DB Kostentabellen usw.

Update vom 08.02.2022

Zur Ergänzung, was Eisenbahnprojekte heutzutage kosten: Die Wallauer Spange ist in etwa 4km lang und kostet rund 175,6 Mio. Euro.

Quelle: Drucksache des Bundestags, Drs. 19/18610 vom 14.04.2020, zu finden unter: https://dserver.bundestag.de/btd/19/186/1918610.pdf

Für die Kosten: siehe Abschnitt „2.2.3 Kosten (Wirtschaftlichkeit)“ auf Seite 3.

Für die Streckenlänge: siehe Seite 14 (selbes Dokument), Kapitel 5, Anlage: „Einzelvorstellung NBS Wallauer Spange vom 03.12.2019, DB Netz AG“ (Vorzugsvariante) bzw. S. 34 (selbes Dokument), Prüfbericht EBA vom 19.12.2019.

Skizze Streckenverlauf „Ostfeldlinie“ mit Baufeld. Die Nummerierung bezieht sich auf die Tabelle oben.

[1] Beschluss Nr. 0294 der Stadtverordnetenversammlung vom 17.09.2020, Vorlagen-Nr. 20-V-04-0006. Zu finden unter: https://piwi.wiesbaden.de/sitzungsvorlage/detail/2455626

[2] Zielabweichungsverfahren – Beschluss der Regionalversammlung Südhessen (RVS) vom 7. Mai 2021, Drucksache Nr.: IX / 141.4. Zu finden unter: https://rp-darmstadt.hessen.de/

[3] Aktualisierte Kosten und Finanzierungsübersicht 2021, Anlage 1 zur SV 21-V-61-0042. Zu finden unter: https://piwi.wiesbaden.de/dokument/2/2829672

[4] Genau genommen müssten an dieser Stelle die Kosten für eine Schienen/Straßenbahnanbindung, die in der KoFi 2021 bereits enthalten sind, herausgerechnet werden. Diese werden jedoch nicht getrennt ausgewiesen. 

[5] Kosten- und Finanzierungsübersicht 2020, Anlage E zur Sitzungsvorlage Nr. 20-V-04-0006, aus unbekannten Gründen aus dem PiWi entfernt. Zu finden unter: https://www.buendnis-stadtklima.de/wp-content/uploads/2021/05/Anlage-E-zur-SV-NR-20-V-04-0006-_200619_KoFi.pdf

[6] Ebd.

[7] Selbst bei einem Defizit von nur -113,5 Mio. Euro, wären es immer noch knapp 24.000 Euro öffentliche Subvention je Wohnung.

[8] Die Stadtentwicklungsgesellschaft (SEG) rechnet mit einem Verkaufserlös von 1.000 Euro je m2 Bauland.

[9] „Verbindungskurve Breckenheim“ zur ICE-Strecke FFM ↔ Köln, Strecken-Nr. 3509. Vgl.: https://www.openrailwaymap.org/?lang=de

[10] Zentraler Haltepunkt „Stadtquartier“. Eine „unterirdische“ Streckenführung meint hier Trogbauweise mit Deckelung, zuführende Gleise eingeschlossen. Diese Streckenführung wird angenommen, da nur so Höhenunterschied von 35 m (Ostfeld/Fort-Biehler ↔ Mainzer Umgehungsbahn) überwunden werden kann. Außerdem würde eine „oberirdische“ Eisenbahnstrecke das Baugebiet in zwei Hälften zerschneiden sowie größere Flächen beanspruchen als eine „unterirdische“ Führung.

[11] Sitzungsvorlage-Nr. 21-V-61-0042 vom 17.11.2021. Zu finden unter: https://piwi.wiesbaden.de/dokument/2/2829674

[12] Statistisches Bundesamt, „Stärkster Anstieg der Baupreise seit 51 Jahren“, 10.01.2022. Zu finden unter: https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2022/01/PD22_010_61261.html

[13] Teil der Sitzungsvorlage Nr. 21-V-05-0008 – „Projekt Ostfeld/Kalkofen: Machbarkeitsstudie für eine leistungsfähige ÖPNV-Erschließung“ DB Engineering & Consulting GmbH, Karlsruhe. Zu finden unter: https://piwi.wiesbaden.de/sitzungsvorlage/detail/2564050