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Ostfeld-Westfeld Update Nr. 22 vom 10. Juli 2022

Hallo zusammen,

der 4. Juli ist ein wichtiger Tag in der Weltgeschichte. Die Amerikaner feiern ihren Independence Day (die Unabhängigkeitserklärung datiert zum 4. Juli 1776; Putin hat Biden dieses Jahr wohl nicht gratuliert), die Kooperationsverhandlungen in Wiesbaden werden für erfolgreich beendet erklärt – und die Normenkontrollklage gegen die SEM und das sog. Rügeschreiben hiergegen wurden fristgerecht eingereicht!

Entsprechend die Themen heute:

  • Normenkontrollklage/Rügeschreiben SEM Ostfeld eingereicht (Rügeschreiben und NKK liegen an)
  • Koalitions-/Kooperationsverhandlungen
  • Klimanotstand in Wiesbaden (Artikel FAZ und Kurier)
  • Sportpark Rheinhöhe
  • Presserklärung Hände weg von OsKa
  • Ultrafeinstaub
  • Blick über den Tellerrand: Nationale Wasserstrategie

Es ist vollbracht!

Die Normenkontrollklage (NKK) gegen die Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme Ostfeld wurde fristgerecht am 4. Juli 2022 von Herrn Rechtsanwalt Ziegler, München, beim Verwaltungsgerichtshof in Kassel erhoben bzw. der Antrag auf Normenkontrolle eingereicht. Zeitgleich wurde der Landeshauptstadt Wiesbaden, vertreten durch OB Mende, das sog. Rügeschreiben gem. § 215 BauGB zugestellt.

Diese Zweigleisigkeit (Rüge und Klage) ist eine der juristischen Finessen in dieser Causa. Soll dann so sein. Jedenfalls bauen diese beiden Verfahren aufeinander auf: die Themen der Rüge bilden ebenfalls die Themen der Normenkontrollklage.

Und mit der NKK wird nicht weniger als die Nichtigkeit der SEM Ostfeld-Satzung beantragt. Weil es sich so schön liest, hier die Gliederungspunkte A bis G (G mit drei Unterpunkten) auf einen Blick (siehe, mit Begründung, anliegendes Rügescheiben).

Normelkontrollklage (NKK) und Rügeschreiben zum Ostfeld

Diese vorgetragenen, im Rügeschreiben näher ausgeführten und zu prüfenden Abwägungsfehler müssen nicht kumulativ vorliegen, um die Satzung zu Fall zu bringen; im Zweifel reicht ein Fehler, der nach Überzeugung des Gerichts vorliegt! Und dann ist die Satzung erst mal weg. Aber bis zur Rechtskraft, so oder so, prognostiziere ich noch einen weiten Weg!

Was ist jetzt zu tun?

„Ich bin kein Jurist/keine Juristin“, ist einer der persönlich meistgehassten Sätze, die ich von Kolleg*innen in der Kommunalpolitik nur allzu oft höre. Entweder hört danach die Auseinandersetzung mit dem Thema auf (grrrr) oder aber, selten genug, es folgt eine Einordnung nach dem gesunden Menschenverstand. Oder Hausverstand, wie man in Österreich sagt. Und das wiederum finde ich gut! (Wenn Jurist*innen kein wirkliches Wissen zum Thema, aber ein Gefühl/eine Ahnung haben, nennen sie das Judiz. Klingt gleich besser.)

Sich hinter dem Fehlen der formellen Ausbildung an einer juristischen Fakultät zu verkriechen, ist leicht zu durchschauendes Wegducken. Wer von uns hat schon eine Trainerlizenz im Profi-Fußball? Und trotzdem… Also: ich freue mich auf Rückmeldungen, die gerne in Diskussionen zu einzelnen Punkten führen können: wie seht ihr die möglichen Abwägungsfehler? Ist da was dran oder einfach nur aufgeplustertes Wortgeklingel? Auf geht’s!

Nachsatz: die erwähnen Anlagen des Rügeschreibens kann ich auf Wunsch gerne zur Verfügung stellen.

Was ist jetzt von der Kommunalpolitik zu tun?

Jeder kennt das Bild von dem toten Pferd, von dem man absteigen sollte. Sicher, Totgesagte leben bekanntlich länger. Nur prüfen, ob der Gaul noch vital ist, sollte man (die politisch Verantwortlichen) schon. Und hier fehlt es mir!

Womit wir bei den Kooperationsverhandlungen in Wiesbaden angekommen sind. Am 4. Juli 2022 haben die Fraktionen von SPD, Grüne, Die Linke und Volt den Durchbruch bei den Verhandlungen, also die Einigung, in einer Pressekonferenz mitgeteilt und die wichtigsten Punkte des Vertrags vorgestellt, der freilich noch von den jeweiligen Parteien goutiert werde muss.

Dieses Update hat einen Schwerpunkt: Ostfeld und Westfeld, die Klammer ist Stadtentwicklung und Wohnungsbau.

Wie verhält sich die neue Kooperation dazu?

Schwammig bis gar nicht. Das sage ich durchaus selbstkritisch. Einzig Die Linke hat in dieser Kooperation eine klare ablehnende Haltung gegen das Ostfeld. Und wohl auch tendenziell gegen das Westfeld. Aber der Prozess des Erkenntnisgewinns dauert noch an. Und die anderen? Die ziehen das Thema Ostfeld einfach „vor die Klammer“. Will heißen: Darüber wurde nicht verhandelt, man ist sich einig, dass man nicht einig ist.

Und die Opposition? CDU und FDP jaulen und weinen, verhalten sich aber nicht inhaltlich zum Thema Ostfeld, sondern deuten lediglich an, dass sie nicht Mehrheitsbeschaffer sein wollen (CDU) und dieses Projekt dann wohl bis Ende dieser Wahlperiode 2026 nicht weiter wird aufgegriffen werden (FDP). Ganz toll! Die wichtigsten städtebaulichen Entwicklungsprojekte werden als machtpolitische Instrumente gespielt, mit dem inhaltlichen Für und Wider setzt man sich besser gar nicht mehr auseinander. Daher rührt meine Politikverdrossenheit!

Beispiel Klimanotstand. Da gab es in der letzten Sitzung des Umweltausschusses (korrekt Ausschuss für Umwelt, Energie und Klima) ernüchternde Zahlen für Wiesbaden. Wer mag, sagt mir Bescheid. Gerne leite ich die offizielle Präsentation weiter, die im Umweltausschuss gezeigt wurde. Die Zahlen sind einfach schlecht bis katastrophal (im Einzelnen siehe FAZ und WiKu vom 30.6.22, weiter unten).

Solange, und das ist meine politische Haltung, wir nicht massiv und geschlossen hinter Flächenversiegelung Null stehen, ist für mich die postulierte Klimapolitik mit allen Maßnahmen nicht wirklich glaubhaft. Wer sich tiefer damit – und der konkreten Situation in Wiesbaden – befassen mag, dem empfehle ich die Seiten des Bundesumweltamtes: https://www.umweltbundesamt.de/umweltatlas/bauen-wohnen/wirkungen-bauen/bodenversiegelung/was-sind-die-folgen-von-bodenversiegelung

Wir wissen alles! Verhalten uns aber oft wie Kinder: wir halten uns die Augen zu und hoffen, dass wir nicht gesehen werden.

Wie sagte unlängst ein prominenter Politiker: „Letztlich ist alles Abwägungssache. Auch Klimaanalysen.“

Nein! Naturwissenschaft entzieht sich menschlichen Kompromissen!

Wenn wir das allesamt nicht schnell gemeinschaftlich akzeptieren, wird es eng. Sehr eng.

Beispiel Sportpark Rheinhöhe.

Es geht mir hier nicht um die Frage, wie notwendig und sinnhaft diese Anlage ist. Sondern, wie prinzipiell immer, um Ressourcen. Hier konkret um die Ressource Geld. Die Lektüre der Pressemitteilung von Hände weg von OsKa sei empfohlen.

Ultrafeinstaub und Ostfeld?

Ja! Auch die Flieger vom und zum Airfield Erbenheim produzieren Ultrafeinstaub. Und erst recht im Leerlauf am Boden. Sie sind winzig klein, diese Teilchen, aber möglicherweise ein großes Problem. Weil niemand genau weiß, wie stark sich Ultrafeinpartikel, abgekürzt UFP, auf unsere Gesundheit auswirken, lässt die hessische Landesregierung zurzeit Studien zu Toxikologie, Belastung und Wirkung vorbereiten. Siehe den beigefügten Artikel vom 18.06.22 aus der Frankfurter Rundschau.

Die Debatte um Ultrafeinstaub ist vor allem dort, wo es Flughäfen gibt, eine extrem kontroverse, weil von Spekulationen und Interessen geprägte. Zwei Fragen stehen im Raum: Wie gesundheitsgefährdend ist Ultrafeinstaub tatsächlich? Und wie stark tragen über Wohngebieten oder in ihrer Nähe startende und landende Maschinen dazu bei?

Und was ist mit dem Airfield Erbenheim? Hier nehme ich die Debatte noch nicht wahr. Bis jetzt.

Und zum Schluss wieder der Blick über den Tellerrand: die Nationale Wasserstrategie.

Duschen (kurz oder lang), Wäsche waschen, trinken, Pflanzen bewässern, Geschirr spülen, Zähne putzen, Boden wischen: Die Liste mit alltäglichen Tätigkeiten, für die wir Wasser benötigen und bei denen wir uns darauf verlassen, dass wir einfach einen Hahn in der Nähe aufdrehen können, lässt sich quasi endlos verlängern. Umso unvorstellbarer scheint uns, die wir in gemäßigten Klimazonen leben, ein Szenario der Wasserknappheit. Bilder ausgetrockneter Flussbetten sind vor allem aus anderen Klimazonen bekannt oder illustrieren die Beiträge zu sommerlichen Hitzewellen.

Das ändert sich gerade. Auch bei uns. Siehe exemplarisch hier:  https://zeitung.faz.net/faz/rhein-main/2022-06-23/c08a6e2499aed353cbf1ff3db6145280?GEPC=s9

Einen sehr instruktiven Long-Read findet ihr hier: https://correctiv.org/aktuelles/klimawandel/2022/06/14/klimawandel-konflikt-um-wasser-in-deutschland/?twclid=21omtpzgmhjr423lju3xmk63as

In der Recherche beleuchten die Redakteur*innen von CORRECTIV die verschiedensten Aspekte der Wasserkrise, welche Herausforderungen sich ergeben und was das für unseren zukünftigen Umgang mit der Ressource Wasser bedeutet.

Hier auch eine offizielle Quelle zur Nationalen Wasserstrategie: https://www.umweltbundesamt.de/themen/wasser/wasser-bewirtschaften/nationaler-wasserdialog-nationale-wasserstrategie

Ich fürchte, CORRECTIV liegt richtig:

Während deutschlandweit lokale Konflikte ausbrechen und kommunale Behörden und Gerichte nach Lösungen suchen, hinkt die Bundespolitik Jahre hinterher.

Zwar hat die Bundesregierung im vergangenen Sommer den Entwurf einer ‚Nationalen Wasserstrategie‘ vorgestellt. Doch eine einheitliche und bundesweite Vorrangregelung für den Fall, dass das Wasser knapp wird, sucht man in dem Entwurf vergeblich. Die Ziele der Nationalen Wasserstrategie sind eher langfristig angelegt.“

Der Kampf ums Wasser hat längst angefangen. Und neue Flächenversiegelungen, Stichwort Ostfeld und Westfeld, haben Einfluss auf das immer knapper werdende Grundwasser. Und so schließt sich der Kreis.

Eine frohe Lektüre, einen schönen Restsonntag und einen guten Wochenstart wünsche ich!

Sucht euch für die kommende Woche ein kühles Plätzchen und genügend Wasser!

Herzlicher Gruß
Ronny Maritzen

PS: Teilen und Feedback, auch Themenvorschläge, erwünscht und willkommen. Ein Blick ins Update-Archiv gibt es hier: https://www.buendnis-stadtklima.de/ostfeld-update/

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