Pressemitteilung, Bündnis Stadtklima vom 30. November 2021
Warnruf des Wiesbadener Amtes für Statistik und Stadtforschung: Wiesbaden und Rheinschiene ein künftiger klimatischer „Hotspot“ in Deutschland?
Das „Amt für Statistik und Stadtforschung“ der Landeshauptstadt Wiesbaden hat im November 2021 eine Publikation „Wiesbadener Wetter und Klima in Messungen und Projektionsdaten“ veröffentlicht. Nach der KLIMPRAX-Studie meldet sich damit erneut eine ernst zu nehmende wissenschaftliche Stimme zu Wort. Sie sollte endlich bei der lokalen Kommunalpolitik Gehör finden. Es ist ein laut vernehmlicher Warnruf für Wiesbaden und Mainz und ein wichtiger Handlungsimpuls besonders in Zeiten des erklärten Klimanotstands.
Die Analyse des Wiesbadener Amts für Statistik und Stadtforschung stellt aus der Sicht des Bündnis Stadtklima Wiesbaden/Mainz einen weiteren dringlichen Weckruf für die regionale und lokale Klimapolitik dar. Dieser Bericht macht klar, dass der Klimawandel besonders auch für Wiesbaden kein vorübergehendes Phänomen ist, sondern eine „dynamische Entwicklung, die dauerhaft und zunehmend gefährlich“ ist. [Seite 27]
Das Bündnis Stadtklima sieht jedoch auch die Chance, schnell praktische Schlüsse daraus zu ziehen. Wenn die politisch Verantwortlichen die Erklärung des Klimanotstandes und die wissenschaftlichen Analysen ernst nehmen, müssen sie aktuelle und perspektivische Bau-Projekte (Ostfeld, Westfeld, Helios HSK, Auf den Eichen/Gräselberg), die eine weitere Versiegelung von Kaltluftzonen bedeuten, neu überdenken und bewerten.
Wer wird für die möglichen vielen zusätzlichen Toten einer ungebremsten Erwärmung in Wiesbaden haftbar gemacht werden müssen? Schon der Hitzesommer 2018 hat in Hessen 700 Tote gefordert (vgl. Reimer,N. Staud,T. Deutschland 2050, S.53) Dieser Ausnahmesommer wird in Zukunft Normalität entlang der Rheinschiene werden. Deshalb fordert Bündnis Stadtklima Wiesbaden jetzt eine vorausschauende, verantwortliche kommunale Klima- und Baupolitik!
Stärkung grüner Infrastruktur von großer Bedeutung: Handlungsoption „tiny forests“.
Der Bericht des Statistikamts betont, dass die Bevölkerung die Dringlichkeit des Themas realisieren muss und dass dafür deren „partizipatives Interesse“ – also der Wunsch sich an den dringend notwendigen Veränderungen zu beteiligen – zu fördern ist. Unterstützend könnten dabei Projekte wirken, die Bewohner praktisches Handeln in Eigenverantwortung ermöglichen. Als Beispiel für solche Projekte nennt die Analyse die Schaffung und Erhaltung von kleinen grünen Flächen in städtischen Quartieren, Fachleute nennen sie „Tiny Forests“, die als Projekt von Nachbarschaften, Schulklassen oder anderen Gruppen gepflanzt oder gepflegt werden. Eine Methode, die in Japan schon erfolgreich praktiziert wird.
So kann durch die Anpflanzung kleiner Wälder, die Erhaltung und Einrichtung von kleineren Grüngebieten im Stadtteil eine deutliche „Aufwertung von Mikroklima, Wohnqualität und Artenschutz“ stattfinden und Kindern und Jugendlichen die Bedeutung von Naturflächen praktisch vermittelt werden. Die positiven Auswirkungen für den Schutz auch gefährdeter Tier-Arten, die in den Städten einen Lebensraum gefunden haben, können nach Meinung vieler Experten kaum unterschätzt werden.
Wir appellieren an die kommunalen Fachpolitiker, den Warnruf aus der Analyse des Wiesbadener Amts für Statistik und Stadtforschung nicht ungehört verhallen zu lassen und Lebensqualität in den Städten zu erhalten.
Bündnis Stadtklima Mainz/Wiesbaden
Wiesbaden, den 30.11.2021
Erläuterung:
Zur Publikation des Amts für Statistik und Stadtforschung und möglichen Folgen der Zunahme von Hitzewellen für Wiesbaden
Der Bericht des Wiesbadener Amts für Statistik und Stadtforschung analysiert aktuelle und sowie historische Klimadaten der Region Wiesbaden und zeigt, wie eine Klimaprojektion der zukünftigen Entwicklung von Temperatur und Niederschlägen für die Stadt aussieht. Zwischen der ersten (1881 bis 1910) und der jüngsten Dekade (2011 bis 2020) der Wetteraufzeichnungen sind die Wiesbadener Mitteltemperaturen in einem beunruhigenden Maße gestiegen, nämlich bereits um 2,5°C. Dieser Temperaturanstieg hat sich seit 1970 deutlich beschleunigt.
Als mögliche Klimaprojektionen für die Zukunft werden für das Wiesbadener Stadtklima u.a. Szenarien vorgestellt, die eine eklatante Zunahme von Tagen mit Schwüle, sprich warmer Luft bei gleichzeitiger hoher Luftfeuchtigkeit, sowie von tropischen Nächten, bei denen die Temperaturen auch nachts nicht unter 20 Grad sinken, mit sich bringen würde.
Diese besonderen Eigenschaften der regionalen Klimaentwicklung stellen die politischen Strukturen vor „enorme Herausforderungen“.
Der Bericht macht besonders darauf aufmerksam, dass laut Klimawirkungs- und Risikoanalyse 2021 des Bundes das Stadtgebiet Wiesbaden entlang der Rheinschiene zu den wärmsten und trockensten Regionen Deutschlands zählt. Wiesbaden ist – neben den Regionen Oberrheinrheingraben, der Rhein-Ruhr-Region, sowie Ostdeutschland entlang der Spree – ein potentieller „Hotspot“ der Klimawandelfolgen in Deutschland. In einer Auswertung dieser Risiko-Analyse in Form einer Karte werden diese „Klimarisiken durch extreme Hitze für die Gesundheit, besonders in Städten, vorrangig entlang des Rheins und der Spree“ lokalisiert. Die „klimatischen Hotspots“ für die Mitte des Jahrhunderts werden auch in der aktuellen Klimawirkungs- und Risikoanalyse und in der folgenden Karte des Umwelt-Bundesamts deutlich erkennbar:
Häufigkeit, Dauer und Intensität der Überwärmung werden in Zukunft mit großer Sicherheit zunehmen. Zu den Gefahren von Hitzewellen heißt es in der KWRA
„Hitzewellen werden im Zuge des Klimawandels deutlich zunehmen, mit heftigen Auswirkungen auf die Menschen: Hitze ist die am meisten unterschätzte Naturgefahr und die in Deutschland tödlichste. In jedem heißen Sommer sterben in Deutschland Menschen an Hitze, seit 2003 über 20.000 Menschen. Gefährdet sind besonders ältere Menschen und solche mit Vorerkrankung in eng bebauten, sich stark aufheizenden Städten. Wir müssen daher in Zukunft unser Verhalten, unser Wohnen, unsere Mobilität und unser Arbeiten umstellen und unsere Städte in Richtung nachhaltiger Kühlung und Verschattung umgestalten. Hierfür benötigen wir größere und stärker vernetzte Grün- und Wasserflächen in der Stadt. Das Anpflanzen von neuen (klimaangepassten, und allergenarme) Stadtbäumen ist besonders wichtig für ein gesundes Lebensumfeld, da sie effektiv die überhitzten Städte kühlen, gleichzeitig vor UV-Strahlung und damit vor Hautkrebs schützen sowie Luftverschmutzung und damit Atemwegserkrankungen verringern.“
Umweltbundesamt: Klimawirkungs- und Risikoanalyse 2021 für Deutschland, Beispiel-Portfolio, S. 4
Da die Klimafolgen an der Landesgrenze von Hessen natürlicherweise nicht haltmachen werden, sondern z.B. Mainz im gleichen Maße betroffen sein wird, ist auch eine gemeinsame Klimapolitik beider Städte zwingend erforderlich.
Mit dem Klimawandel steige der Bedarf an Koordination zwischen den Akteuren, sowie an aktiver Partizipation der betroffenen Bevölkerung. Für die regionale Klimapolitik sind neben ernsthaften Vermeidungsstrategien auch Anpassungsstrategien wichtig, um Risiken zu senken und Schäden zu vermindern.
„Generell ist die Stärkung der grünen Infrastruktur in Städten von großer Bedeutung, wenn es darum geht, die Beeinträchtigungen durch den Klimawandel in Grenzen zu halten und andererseits die Lebensqualität zu erhöhen.“
Amt für Statistik und Stadtforschung Wiesbaden: Wiesbadener Wetter und Klima in Messungen und Projektionsdaten, S. 24
Die Analyse finden Sie im Originaltext unter:
Link zur Klimawirkungs- und Risikoanalyse des Umweltbundesamtes: