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Ostfeld: Die Zeit ist nicht reif

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Pressemitteilung vom 26.08.2020

Entscheidung über Enteignungsmaßnahme Ostfeld zum jetzigen Zeitpunkt unredlich – Beschluss stellt Stadt vor hohes juristisches und finanzielles Risiko

In der Stadtverordnetenversammlung am 17. September 2020 soll – aller Voraussicht nach – der förmliche Beschluss zu einer Entwicklungssatzung „Ostfeld “ erfolgen. Der Beschluss hat mehrere tiefgreifende Konsequenzen. Eine davon ist eine Vorfinanzierung für den Entwicklungsträger SEG (Stadtentwicklungsgesellschaft Wiesbaden mbh), für die im Haushalt 2020/21 Gelder in Höhe von insgesamt 5,4 Mio. Euro freigeben werden sollen. Gut investiertes Geld? Das Bündnis Stadtklima bezweifelt das und gibt den Ostfeld-Befürwortern zu bedenken: Die Zeit für diesen teuren Beschluss ist nicht reif!

Beschluss vor Entscheidung zur Citybahn widerspricht jeder Logik

Bis heute sind wesentliche Punkte der geplanten Ostfeld-Bebauung nicht abschließend geklärt. Dies gilt unter anderem für die verkehrliche Anbindung des Ostfelds an den ÖPNV. Der Anschluss an die Citybahn wurde vor allem von den Grünen als K.O.-Kriterium für das Ostfeld festgehalten. Erst im September 2019 hatte die Mitgliederversammlung des Kreisverbands Wiesbaden einen entsprechenden Beschluss getroffen, den selbst die Ostfeld-Befürworter der Partei mittrugen. Der Beschluss gilt bis heute und müsste – blieben die Grünen sich treu – unmittelbare Auswirkung auf den Zeitpunkt der Entscheidung zum Ostfeld haben. Denn erst am 1. November entscheiden Wiesbadens Bürgerinnen und Bürger, ob die Citybahn überhaupt gebaut wird. Einen kostenträchtigen Beschluss über das Ostfeld noch vor dieser Entscheidung über die Citybahn herbeizuführen, erscheint also unredlich – widerspricht aber mindestens jeder Logik.

Enormes juristisches und finanzielles Risiko einer Anfechtung der Enteignungsmaßnahme

Hinzu kommt: Das juristische und damit ebenfalls finanzielle Risiko einer Anfechtung der „Entwicklungsmaßnahme“ (SEM) ist enorm. Die Stadt Wiesbaden will sich dazu ermächtigen, im Geltungsbereich der Entwicklungssatzung grundsätzlich alle Grundstücke zu enteignen. Das kann sie nicht „auf gut Glück“, sondern muss dazu bereits bei der Aufstellung der Entwicklungssatzung alle Enteignungsvoraussetzungen nachweisen. Genau das tut sie aber bis heute nicht.

Maßnahme widerspricht der geltenden Regionalplanung

Die Entwicklungsmaßnahme widerspricht unter anderem der geltenden Regionalplanung, die für das insgesamt ca. 450 ha große Entwicklungsgebiet Ostfeld zum Teil überlagernde Festlegungen trifft: regionaler Grünzug auf 160 ha, Landwirtschaft auf 138 ha, Natur und Landschaft auf 62 ha. Das Regierungspräsidium Darmstadt, als Träger öffentlicher Belange, hat in seinem Schreiben vom 12. Juni 2018 festgehalten: „Die geplante Entwicklung des Areals Ostfeld/Kalkofen zu Wohn-, Gewerbe- und anderen (baulichen) Zwecken ist an diese Ziele der Raumordnung derzeit nicht angepasst.“ An diesem Fakt hat sich bis heute nichts geändert.

Klimatische Auswirkungen können nicht erst in späterer Bauleitplanung geklärt werden

In einem weiteren, entscheidenden Punkt herrscht unter den Gutachtern (KLIMPRAX und GeoNET) Einigkeit: Das Ostfeld ist als Kaltluftentstehungsgebiet mit Frischluftschneise klimarelevant für das Gebiet südöstlich von Wiesbaden. Es können unwidersprochen „hohe vorhabenbedingte Auswirkungen“ auftreten. Diese Auswirkungen müssen abschließend geklärt werden – z.B. in Form einer modellhaften Baumasseskizze für den Stadtteil am Fort Biehler oder auch für das Gewerbegebiet B1 westlich von Erbenheim. Die bloße Ankündigung, sich im Rahmen der Bauleitplanung später darum bemühen zu wollen, reicht nicht für einen rechtssicheren Beschluss der SEM.

Trinkwasserversorgung nicht nachgewiesen

Ähnlich agiert die Stadt Wiesbaden in Bezug auf die Frage der Trinkwasserversorgung für bis zu 12.000 Menschen im Entwicklungsgebiet Ostfeld/Kalkofen. Eine Wassergewinnungsanlage wird es nicht geben. Stattdessen soll die Wasserversorgung „zu einem späteren Zeitpunkt konzeptionell nachgewiesen“ werden.

Prüfung von Lärmschutzbereichen steht trotz Stadtverordnetenbeschluss noch aus

Unbearbeitet ist bis heute auch die mit Beschluss vom 12. Dezember 2019 von den Stadtverordneten geforderte Prüfung von Lärmschutzbereichen nach § 4 (1) Nr. 3 FluLärmG für das Airfield Erbenheim. Nach Untersuchungen von Michael Dirting unterliegen 13,5 – 18,0 ha des Ostfelds einem Bauverbot, weitere 5,45 ha einer Siedlungsbeschränkung. Kurz: 1/3 oder 35% des geplanten „Urbanen Stadtquartiers“ liegen in Lärmschutzzonen.

Liste der fehlenden, planungsrechtlichen Voraussetzungen ist lang

Die Stadt Wiesbaden steuert unter Federführung der SEG in das nächste Bauvorhaben, das sich zum Grab für viele Millionen an Steuergeldern entwickeln könnte. Eine seriöse Abstimmung über eine SEM kann erst stattfinden, wenn die vorgenannten Fragen fundiert und nachvollziehbar geklärt sind. Bei einer Entscheidung zum jetzigen Zeitpunkt muss sich jeder und jede Stadtverordnete fragen lassen, ob er dieses juristische und finanzielle Risiko auch privat eingehen würde. Die Antwort dürfte ein eindeutiges NEIN sein.