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Pressemitteilung zu den Beschlüssen der Ausschüsse vom 09.09.2020 als .pdf
Pressemitteilung, Wiesbaden/Mainz, 9. September 2020
Mit wachsweichen Ergänzungsanträgen zur Stadtentwicklungsmaßnahme Ostfeld und zum Bebauungsplan Schierstein-Osthafen will die Rathauskooperation die berechtigte Kritik an beiden Vorhaben abfangen. Doch bei näherer Betrachtung sind beide Anträge nur Beruhigungspillen mit wenig Effekt.
In der gemeinsamen Sitzung des Umwelt- und des Planungsausschusses am Dienstag, 8. September, sind die Fraktionen der Rathauskooperation den Magistratsempfehlungen gefolgt und haben sowohl der Stadtentwicklungsmaßnahme Ostfeld, als auch der Bebauung des Osthafens zugestimmt. Beide Vorhaben sind höchst umstritten. Daher versucht die Kooperation nun, Kritiker mit Begleitanträgen einzufangen. Doch beide Anträge sind das Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt sind.
Der Antrag zum Ostfeld lässt zwei Grundfragen zur SEM unausgesprochen:
- Braucht Wiesbaden überhaupt einen neuen Stadtteil?
- Ist das Ostfeld der richtige Standort?
In Mainz-Kastel und -Kostheim entstehen auch ohne das Ostfeld in den nächsten Jahren mehr als 2.000 Wohnungen, viele davon befinden sich schon im Bau. Weitere geeignete Flächen sind in der städtischen Liste der „Flächenpotentiale für geförderte Wohnungen“ zu finden: Hier sind Flächen für 13.500 Wohnungen aufgeführt (vgl. Wiesbaden 2030+). Hierbei ist das Militärgelände mitten in Kastel (Storage Station), das zusammen mit dem Militärgelände im Kasteler Westen (Kastel Housing) bis Ende 2022 laut US Army freigegeben werden soll, noch nicht eingerechnet. Insgesamt haben diese beiden Flächen über 30 Hektar und damit die Größe, die am Fort Biehler/Ostfeld für Wohnungsbau vorgesehen ist. Wiesbaden braucht also keinen neuen Stadtteil!
Und das Ostfeld ist auch nicht der richtige Standort. Denn selbst wenn alle Häuser Passivhäuser mit Nettostromerzeugung durch Solarenergie wären und noch so viele Bäume gepflanzt würden, wird durch die Bebauung des Ostfelds ein wichtiges Kaltluftentstehungsgebiet für 125.000 Menschen in Mainz und Wiesbaden zerstört. Daran wird auch das „Green Washing“ im Kooperationsantrag nichts ändern.
Der Antrag zum Osthafen ist schlichtweg in letzter Konsequenz nicht durchsetzbar:
Im Bebauungsplanverfahren geht es nicht darum, einen schlechten Bebauungsplan mit halbherzigen politischen Vereinbarungen aufzuhübschen. Ein Kooperations-Kompromiss ist eben kein Bebauungsplan und kann auch nie Bestandteil eines Bebauungsplans sein, für den im Baugesetzbuch mit gutem Grund bestimmte Verfahrensschritte eingehalten werden müssen.
Wenn die Rathauskooperation darauf baut, einen externen Bauträger mit Aufträgen an die SEG rechtsverbindlich zu etwas verpflichten zu können, das nicht Bestandteil des Bebauungsplans ist, dann irrt sie oder betreibt Augenwischerei. Nur ein neuer Bebauungsplan, in den die Kritikpunkte eingearbeitet sind (niedrigere Gebäude, weniger Versiegelung) schafft für Schierstein die Sicherheit, dass der Osthafen nicht zur Betonwüste wird. Das Stadtplanungsamt hat in der Sitzung des Ortsbeirats am 19. August selbst bestätigt, dass ein neuer Bebauungsplan erstellt werden müsste, um etwa den Bedenken gegen die im Entwurf vorgesehenen Gebäudehöhen zu entsprechen.
Fast schon sprachlos macht, mit welcher Selbstsicherheit die SEG in beiden Fällen, Ostfeld und Osthafen, die Erkenntnishoheit über Umwelt- und Klimabelange beansprucht.
Vor wenigen Wochen erst hatte SEG-Geschäftsführer Stöcklin den Landwirten des Ostfelds erklärt, wie Landwirtschaft 4.0 funktioniert. Gestern legte er zum Thema Osthafen nach und wird im Wiesbadener Kurier mit den Worten zitiert: „Beim Thema Klima schwingen sich heute schnell viele Leute zu Experten auf.“
Das Bündnis Stadtklima fragt sich: Wen meint er damit?
Meint er damit den Schiersteiner Ortsbeirat, der aus klimatischen Bedenken die Bebauung am Osthafen ablehnt? Meint er das Hessische Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) oder den Deutschen Wetterdienst (DWD), die in der Klimprax-Studie eindeutig belegen, dass die Rheinschiene und damit Schierstein besonders stark vom Klimawandel betroffen sind. Meint er das Umweltamt der Stadt Wiesbaden, das die Klimafunktionskarte[1] mit Planungshinweisen für Wiesbaden erstellt hat, die ganz klar eine Entsiegelung und Begrünung des Gebiets am Osthafen empfiehlt?
Oder meint er vielleicht sogar sich selbst?
[1] Um zur Klimafunktionskarte des Umweltamts Wiesbaden zu gelangen, bitte in der oberen Leiste „Fachgutachten“ auswählen und zum Unterpunkt „Stadtklima“ navigieren.