Presseerklärung der Aktionsgemeinschaft “Hände weg von Os/Ka” zu den S-Bahn-Plänen der Stadt Wiesbaden vom 25. Oktober 2021
Hände weg von Os/Ka: Scharfe Kritik an S-Bahn-Plänen der Stadt – das funktioniert nie und nimmer!
Als „realitätsfernes Wunschdenken“ bezeichnet Philipp Pfefferkorn, Sprecher der Aktionsgemeinschaft Hände weg von Os/Ka, die Pläne des Wiesbadener Stadtplanungsamts, eine S-Bahn-Linie durch das Ostfeld zu führen.
Wer das Gelände kennt, weiß: Hinter dem Gewerbegebiet Petersweg geht es recht steil den Berg hinauf. Die Siedlung Fort Biehler, um die die Trabantenstadt „Ostfeld“ entstehen soll, liegt auf dem Petersberg. Diese Steigung lässt sich erleben – jedem Interessierten sei eine Fahrt mit dem Fahrrad von der Anna-Birle-Straße in Mainz-Kastel über den Berstädter Weg hin zum Ostfeld empfohlen.
„Wer über S-Bahnen redet, sollte auch wissen, wie sie funktionieren. Nicht nur in diesem Punkt zeigen die Planer in Wiesbaden Fahrlässigkeit“ meint Pfefferkorn. Im Sinne eines zügigen Betriebsablaufs sind S-Bahnen auf Geschwindigkeiten von 100 km/h und mehr ausgelegt. Jeder der schon einmal vor Ort war, fragt sich: „Wie soll das am Ostfeld gehen?“ (vgl. Anlage 1: Projizierter Streckenverlauf)
„Niemand hat die Absicht eine Straßenbahn zu errichten“
Zwischen Mainzer Umgehungsbahn[1] (etwa 95m ü. N.N.) und dem Ostfeld (etwa 130m bis 140m ü. N.N.) müssen mindestens 35 Höhenmeter überwunden werden (vgl. Anlage 2). Auf einer Strecke von ca. 800m und mit einer planerisch schwierigen 90°-Kurve wohlgemerkt.[2] „Das ergibt eine Steigung von etwa 44 Promille.[3],[4] Ab 40 ‰ Steigung gilt eine Nebenbahn als sogenannte ‚Steilstrecke‘ mit besonderen Betriebsvorschriften.“ Ggf. wären für die Züge sogar besonders starke Bremsen erforderlich.[5]
Hat das Stadtplanungsamt mal einen Blick in eine topographische Karte geworfen? „Die Welt ist nicht zweidimensional.“ Nur wer die dritte Dimension vergisst oder verdrängt, kann zu der Idee kommen, auf Biegen und Brechen eine S-Bahn über das Ostfeld fahren zu lassen.
„Betrachtet man das Gelände und die Steigung, dann erinnert dieses Gedankenspiel viel mehr an ein Wiesbadener Wahrzeichen – die wunderschöne Nerobergbahn. Mit kleinen aber feinen Unterschieden: Man könnte auf dem Weg zum Ostfeld einen beeindruckenden Ausblick auf Industrie, Deponie und bald noch auf ein Müllheizkraftwerk genießen.“
Hat das Stadtplanungsamt bei seinen Überlegungen berücksichtigt, dass für eine S-Bahn auf dem Ostfeld zwei Autobahnen (A66 und A671) und eine ICE-Strecke überquert werden müssen? „Diese unverrückbaren Hindernisse wären ein drastischer Kostentreiber für eine Eisenbahnstrecke. Brücken oder Tunnel müssten her. Wer soll das alles bezahlen?“ Die Frage ob das in der ‚Kosten- und Finanzierungsübersicht‘ für das Ostfeld berücksichtigt worden ist, lässt sich leicht beantworten: nein.[6] An eine Eisenbahnstrecke durch das Ostfeld hat im September 2020 noch niemand wirklich gedacht.[7]
Auffällig an den Planungen aus dem Rathaus ist außerdem die hohe Dichte an neuen Bahnhöfen („Mainzer-Straße“; „BKA“; „Ostfeld“ und „Stadtquartier“).
„4 Bahnhöfe auf einer Strecke von 4,7 km.[8] Mit einer S-Bahn hat das nicht viel zu tun. Betrachtet man die Haltestellendichte und die zu erwartenden Geschwindigkeiten, ist die S-Bahn am Ostfeld viel eher eine Straßenbahn im Schafspelz“ kritisiert Pfefferkorn.
Das Ostfeld hätte, folgt man den Wiesbadener ‚Plänen‘, eine etwa gleich hohe Bahnhofsdichte wie der S-Bahn-Tunnel in der Frankfurter Innenstadt.[9] „Bevor man solchen Träumereien verfällt, sollte die Stadt lieber, zusammen mit der Deutschen Bahn, den Investitionsstau an den Bahnhöfen Biebrich, Wiesbaden Ost und Mainz-Kastel beheben, der leider schon Jahrzehnte andauert.“
Wiesbaden, 25.10.2021
Philipp Pfefferkorn,
für die Aktionsgemeinschaft „Hände weg von Os/Ka“
Weitere Pressemitteilungen von „Hände weg von Os/Ka“
Anlage 1: „Neue Pläne für die Ländchesbahn“, Wiesbadener Kurier vom 05.10.2021
Anlage 2: Topographische Karte des Gebiets zwischen Erbenheim und Mainz-Kastel
[1] Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Umgehungsbahn_Mainz
[2] Zur Abschätzung der Länge von Strecken wurde jeweils das Geoportal der LH Wiesbaden verwendet. (https://geoportal.wiesbaden.de/kartenwerk/application/stadtplan – oberes Menüband „Strecke messen“)
[3] Die Steigung von Bahnstrecken wird meist in Promille (‰) und nicht in Prozent angegeben. Bahnlinien können, im Vergleich zu Straßen, generell nur auf Strecken mit geringerer Steigung betrieben werden.
[4] Zum Vergleich: die Straßenbahn am Gautor in Mainz muss eine Steigung von etwa 95 ‰ überwinden. Sie gilt als eine der steilsten Straßenbahnstrecken Deutschlands.
[5] Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Steilstrecke. Bei einer Hauptbahn reichen 25 ‰ aus damit sie als Steilstrecke gilt.
[6] Kosten- und Finanzierungsübersicht „Ostfeld“ – Stand 08.06.2020, siehe: https://www.buendnis-stadtklima.de/wp-content/uploads/2021/05/Anlage-E-zur-SV-NR-20-V-04-0006-_200619_KoFi.pdf
Leider ist das Dokument aus unbekannten Gründen im Politischen Informationssystem Wiesbaden (PiWi) nicht mehr auffindbar.
[7] Damals gab es Überlegungen das Ostfeld über einen Ast der neuen Straßenbahn („City-Bahn“) anzubinden. Diese hätte eine Spurweite von 1000mm (Meterspur) gehabt. Eisenbahnen haben in Deutschland jedoch eine Spurweite von 1435mm (Normalspur). Beim Bürgerentscheid zur City-Bahn, am 1.11.2020, ist diese jedoch mehrheitlich abgelehnt worden.
[8] Von der Mainzer Straße, den projizierten Streckenverlauf entlang bis zur Anschlussstelle an die Mainzer Umgehungsbahn sind es etwa 4,7 km.
[9] Die Länge des City-Tunnels Frankfurt beträgt etwa 6,4 km. An der unterirdischen Strecke sind vom „Hauptbahnhof (tief)“ bis „Mühlberg“ insgesamt 6 Bahnhöfe gelegen. Rechnerisch ergibt das 0,94 Bahnhöfe je km oder etwa alle 1.100 m ein Bahnhof. Für die Strecke von der Mainzer Straße bis zur Mainzer Umgehungsbahn (4,7 km und 4 Bahnhöfe) wären es etwa 0,85 „Bahnhöfe“ je km oder alle 1.200 m ein Haltepunkt.