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Ernste Warnungen des Umweltbundesamts und des Wiesbadener Amts für Statistik und Stadtforschung: Wiesbaden und Rheinschiene könnten zu einem klimatischen „Hotspot“ in Deutschland werden

Ernste Warnungen des Umweltbundesamts und des Wiesbadener Amts für Statistik und Stadtforschung: Wiesbaden und Rheinschiene könnten zu einem klimatischen „Hotspot“ in Deutschland werden

Pressemitteilung, Grüne Zukunft Freudenberg vom 9. Dezember 2021

Die Folgen des Klimawandels müssen frühzeitig auch in den Stadtteilen aufgefangen und gemindert werden – „tiny forests“ als ein Konzept der lokalen Klimapolitik

Die BI Grüne Zukunft Freudenberg weist mit dieser Pressemitteilung darauf hin, dass sowohl das Bundesumwelt (Klimawirkungs- und Risikoanalyse Juni 2021) als auch das Wiesbadener Amt für Statistik und Stadtforschung in ihren aktuellen Verlautbarungen davor warnen, dass der Klimawandel besonders auch für Wiesbaden kein vorübergehendes Phänomen sein könnte, sondern eine „dynamische Entwicklung, die dauerhaft und zunehmend gefährlich“ werden kann (Wiesbadener Amt für Statistik und Stadtforschung: Stadtanalyse Nr. 120 „Wiesbadener Wetter und Klima in Messungen und Projektionsdaten“, November 2021).

Das Umweltbundesamt macht ebenso in seiner aktuellen Risikoanalyse (KWRA 2021) deutlich, dass das Stadtgebiet Wiesbaden entlang der Rheinschiene zu den wärmsten und trockensten Regionen Deutschlands zählt. Wiesbaden ist

  • neben den Regionen Oberrheinrheingraben, der Rhein-Ruhr-Region, sowie Ostdeutschland entlang der Spree – ein potentieller „Hotspot“ der Klimawandelfolgen in Deutschland, und das mit gravierenden Folgen für die Bewohner.

Auch das HLNUG hat bereits in seiner Klimprax-Studie für Wiesbaden und Mainz auf die Gefahren hingewiesen und Juni 2020 eine Checkliste für klimaangepasste Quartiere veröffentlicht.

Das Bündnis Stadtklima nimmt in seiner letzten Pressemitteilung vom 1.12.2021 diese Warnungen auf. Sie fordert die lokalen Klimapolitiker jetzt (!) zu wirkungsvollen Taten und zu Veränderungen ihrer Bau- und Klimapolitik in Wiesbaden und Mainz auf. Dem kann sich die BI Grüne Zukunft Freudenberg, die sich für den Erhalt einer wertvollen Grünzone in Dotzheim einsetzt, nur anschließen.

Die Folgen des Klimawandels müssen frühzeitig auch in den Stadtteilen aufgefangen und gemindert werden

In der aktuellen Stadtanalyse Nr. 120 des Amtes für Statistik und Stadtforschung heißt es:

„Generell ist die Stärkung der grünen Infrastruktur in Städten von großer Bedeutung, wenn es darum geht, die Beeinträchtigungen durch den Klimawandel in Grenzen zu halten und andererseits die Lebensqualität zu erhöhen.“ (S. 24)

Stadtanalyse Nr. 120, Amt für Statistik und Stadtforschung Wiesbaden

In diesem Zusammenhang wollen wir als BI ins öffentliche Gedächtnis rufen, dass eine solche „grüne Infrastruktur“, umgeben von einem 40 Jahre alten, geschützten Waldsaum, im Stadtteil bereits existiert! Sie ist gefährdet durch die aktuellen Baupläne von Helios und GWW für Betriebswohnungen.

Nicht nur nach unserer Einschätzung sind solche „ (…) kleine Flächen in städtischen Quartieren (…), die als Projekt von Nachbarschaften, Schulklassen oder anderen Gruppen (…) gepflanzt und gepflegt werden“ (Stadtanalyse Nr. 120) für den Schutz des Mikroklimas eines Stadtteils geradezu prädestiniert.

In der Stadtanalyse wird dazu auf das Konzept der „tiny forests“ verwiesen und betont: „Mit Hilfe professioneller Vorbereitung und Anleitung bestehen gute Erfolgsaussichten für eine Aufwertung von Mikroklima, Wohnqualität und Artenschutz durch die kleinen Wälder.“ (S.24) Das Konzept der „tiny forests“ wird in den Niederlanden und Frankreich bereits erfolgreich praktiziert, die Idee stammt aus Japan. Die Stadt Wiesbaden wäre, wie Eberswalde und Hallbergmoos, ein praktischer Vorreiter dieser Idee in Deutschland.

Wir wollen hiermit die verantwortlichen Politiker ermutigen, bei dem Bauprojekt der Helios/GWW eine Perspektivenänderung zu vollziehen und sich erneut folgende Fragen stellen:

  • Handelt es sich also bei diesem als Kaltluftentstehungszone und Biotop-Verbund ausgewiesenem Gebiet nur um eine attraktive, ungenutzte, noch unbebaute Fläche, gut geeignet für eine Bau-Investition mit mehreren 5-6-stöckigen Wohntürmen? Ist es nur eine konventionelle Bau-Fläche, schnell auszubaggern und leicht zu bebauen mit profitabel zu vermietenden Wohnungen?
  • Oder könnte diese wertvolle grüne „Brachfläche“ eine für die Zukunft zu erhaltende „grüne Infrastruktur“ (s.o.) darstellen, die weiterentwickelt werden kann zu einem besonderen „tiny forest“?

Könnte es von den Kinder und Jugendlichen der umliegenden Kitas und Schulen als Lernort für praktisches ökologisches Lernen erhalten und gepflegt werden, genauso wie als Mikroklima-Projekt des gesamten Stadtteils Freudenberg/Dotzheim?

Wir als BI fordern bei der Entscheidung über dieses Grüngebiet im Besitz der öffentlichen Hand eine echte und offene Bürgerbeteiligung. Dazu gehört eine angemessene Berücksichtigung der jungen Bevölkerung, die in Zukunft in einer Welt zurechtkommen muss, so wie wir sie ihnen heute überlassen.

Kommunalpolitiker müssen sich ihrer Verantwortung für künftige Generationen bewusst werden. Sie sollten andere Gewichtungen setzen und sich neue Perspektiven erarbeiten. Nichts anderes hat das Bundesverfassungsgericht in seinem letzten richtungsweisenden Urteil eingefordert.

„Thinking outside the box“, das ist jetzt nötig, um die Folgen der Klimaveränderungen zu begrenzen und abzumildern. Für den Bau von Betriebswohnungen der Helios gibt es baulich und ökologisch sinnvolle Alternativen. Mit dem alten Denken werden wir die Klimakatastrophe und ihre lokalen Auswirkungen nicht in den Griff bekommen. Es muss ein „Ruck“ durch die Wiesbadener Politik gehen, wenn sie zukunftstauglich sein will.

Erläuterung:
In der Klimawirkungs- und Risikoanalyse 2021 des Umweltbundesamts heißt es zu den erwarteten Hotspots des Klimawandels:

„Hitzewellen werden im Zuge des Klimawandels deutlich zunehmen, mit heftigen Auswirkungen auf die Menschen: Hitze ist die am meisten unterschätzte Naturgefahr und die in Deutschland tödlichste. In jedem heißen Sommer sterben in Deutschland Menschen an Hitze, seit 2003 über 20.000 Menschen. (…) Wir müssen daher in Zukunft unser Verhalten, unser Wohnen, unsere Mobilität und unser Arbeiten umstellen und unsere Städte in Richtung nachhaltiger Kühlung und Verschattung umgestalten. Hierfür benötigen wir größere und stärker vernetzte Grün- und Wasserflächen in der Stadt.“

KWRA-Studie 2021

Wer wird für diese unnötigen Todesfälle zur Verantwortung gezogen werden?

Diese Fläche stellt ein einmaliges biologisches Zukunfts-Potential für Menschen, Pflanzen und Tiere im Stadtteil dar. Sie ist eine wichtige Biotop-Brücke und -Verbindung für Vögel, Reptilien, Säugetiere und Insekten, auch für solche, die möglicherweise in naher Zukunft zu den gefährdeten Arten gehören.

Der Vorschlag zur Schaffung solcher Biotope in Wiesbaden ist nicht neu. In einem Vortrag in Wiesbaden in Anwesenheit des (ehem.) OB Exner und Umweltdezernenten Kowol hat der renommierte Vogelforscher Professor Bertold vor zwei Jahren gewarnt:

„In den vergangenen 120 Jahren sind 80 Prozent der Vogelindividuen, also die Zahl aller lebenden Vögel, verschwunden. Von 40 untersuchten Vogelarten in Deutschland sind 30 vom Aussterben bedroht.“

Wiesbadener Kurier vom 12.11.2018: „Peter Berthold referiert über Artenschutz im Wiesbadener Landesmuseum“

Sein Vorschlag geht in dieselbe Richtung wie der der BI Grüne Zukunft Freudenberg: „Eine mittelfristige Lösung sei die Schaffung von Biotopen. Bertold, Initiator des Projekts Biotopverbund Bodensee“, plädierte dafür, alle zehn Kilometer in Deutschland ein Biotop zu schaffen, um so Wanderungsbewegungen zu ermöglichen.“ (WK 12.11.2018) Und auch der anwesende Umweltdezernent Andreas Kowol „konstatierte einen Nachholbedarf, was Umweltschutz angehe.“ Die finanziellen Aufwendungen für einen Ankauf und Aufpflanzung solcher Biotop-Flächen könnte sich die Stadt Wiesbaden hier ersparen, wenn sie dieses Grüngebiet erhalten würde.

BI „Grüne Zukunft Freudenberg“
Wiesbaden, den 9.12.2021

Die Analysen, weitere Informationen und die PM Bündnis Stadtklima finden Sie im Originaltext unter:

Amt für Statistik und Stadtforschung: Stadtanalyse Nr. 120, November 2021

Klimawirkungs- und Risikoanalyse des Umweltbundesamtes (KWRA):

„tiny forests“ – klimaeffiziente Mini-Wälder, nach den Prinzipien des japanischen Botanikers Akira Miyawaki:

PM des Bündnis Stadtklima, 12/2021:

Faktenpapier: Was wir heute über das Extremwetter in Deutschland wissen, Deutscher Wetterdienst und Extremwetterkongress Hamburg, 09/2021.
https://www.dwd.de/DE/klimaumwelt/aktuelle_meldungen/210922/Faktenpapier-Extremwetterkongress_download.pdf?__blob=publicationFile&v=1
Umweltbundesamt, Klimawirkungs- und Risikoanalyse 2021 für Deutschland, klimatische Hotspots anhand von sechs Klimaindikatoren für Mitte und Ende des Jahrhunderts. 
Ernste Warnungen des Umweltbundesamts
Quelle: Umweltbundesamt, Klimawirkungs- und Risikoanalyse 2021 für Deutschland, klimatische Hotspots anhand von sechs Klimaindikatoren für Mitte und Ende des Jahrhunderts (Ausschnitt)