Hallo Zusammen!
Es geht wieder rund im PR-Zirkus der Ostfeld-Lobby! Die Presseabteilung des Wiesbadener Rathauses rotiert, um die Meinungshoheit zu erobern/behalten und die sicherlich gut bezahlten Fachleute (PR und Recht) geben ihr Bestes. Und die Berichterstatter spielen – in der Regel – die gewünschte Rolle. Aber am Ende bleibt die Wahrheit die Heldin unter der Zirkus-Kuppel. So meine romantische Hoffnung.
Dazu sofort mehr. Nach der Inhaltsangabe.
Unserer Themen heute:
- Die Präsentation der „Gutachten“ Klima und Lärm durch Stadtplanungsamt und SEG (FAZ 18.10.23, WK 18.10.23, FR 18.10.23, FAZ 25.10.23, Leserbrief M. Dirting 26.10.23, WK 27.10.23,
- Die neue Kosten- und Finanzierungsübersicht (KoFi) 2023 Ostfeld
- Das Leipziger Urteil und die Folgen
- Termin 7.11: Sondersitzung der Ortsbeiräte Kastel und Erbenheim zum Ostfeld
- Termin 9.11: Bebauung des Ostfelds? Podiumsdiskussion zum neuen Flächennutzungsplan (bund-hessen.de)
- Westfeld Fest 2.0: Bericht im WiKu 9.10.23 „Die Landwirte sitzen auf dem Schleudersitz“
- Die neue Wiesbadener Bevölkerungsprognose WiKu 12.10.23
Die Geschichte der Präsentation der Gutachten Klima und Lärm durch das Stadtplanungsamt und die SEG gehört erzählt. Ein Meisterstück schwarzer PR. Aber urteilt selbst anhand der Chronologie der Ereignisse:
Mit Mail vom 8. September 2023 erreichte die Mitglieder der Ausschüsse Planung und Umwelt die „Einladung zur Informationsveranstaltung ‚Vorstellung Fachgutachten Klima und Lärm‘ SEM Ostfeld am 17.10.2023, 15:00 – 16:30 Uhr StVV Sitzungssaal“. Sofort fielen mir und anderen Fragen ein, zum Beispiel nach der Öffentlichkeit der Veranstaltung, einer der Grundsätze der Hessischen Gemeindeordnung (HGO). Hier die Fragen im Wortlaut:
Sehr geehrte Damen und Herren,
im Auftrag der Grünen Fraktion möchte ich Ihnen folgende Fragen bzgl. der Informationsveranstaltung „Vorstellung Fachgutachten Klima und Lärm“ SEM Ostfeld am 17.10.2023 übermitteln:
- Eingeladen sind die Mitglieder der beiden Ausschüsse Umwelt/Klima/Energie & Stadtentwicklung/Planung/Bau. Ist es darüber hinaus gestattet, dass auch weitere Bürgerinnen und Bürger/Stadtverordnete an der Veranstaltung teilnehmen? Mit anderen Worten: ist die Veranstaltung öffentlich zugänglich?
- Wie werden die betroffenen Ortsbeiräte eingebunden?
- Können sachkundige Bürger:innen mit Fragerecht eingeladen werden?
- Wann bekommen die Eingeladenen vorbereitende Unterlagen für die zu erwartenden Vorträge?
- Können vorbereitende Fragen eingereicht werden?
Vielen Dank im Voraus und mit freundlichen Grüßen
Und auch die Antwort im Wortlaut:
danke für Ihre Fragen zur am 17.10.2023 stattfindenden Informationsveranstaltung für die Ausschüsse für Stadtentwicklung, Planung und Bau sowie Umwelt, Energie und Klima.
Die Informationsveranstaltung ist nicht öffentlich, das heißt, es werden nur die Ausschussmitglieder und Mitarbeitende der Fachverwaltung teilnehmen. Im Rahmen der Informationsveranstaltung werden die zentralen Ergebnisse der Gutachten zu „Klima“ und „Lärm“ von den jeweiligen Gutachtern präsentiert. Danach besteht die Gelegenheit für Rückfragen. Es ist nicht vorgesehen, Unterlagen im Vorgriff der Veranstaltung zu versenden. Nach der Veranstaltung werden die Endberichte der vorgestellten Gutachten zeitnah auf der Projekthomepage www.dein.wiesbaden.de/ostfeld zum download bereit gestellt werden.
Die von der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme Ostfeld (SEM Ostfeld) berührten Ortsbeiräte Amöneburg, Biebrich, Südost, Erbenheim und Kastel werden im Rahmen des Gremienlaufes zur jährlichen Berichterstattung insgesamt über den Fortgang des Projektes sowie die jährlich zu aktualisierende Kosten- und Finanzierungsübersicht informiert. In diesem Rahmen wird auch auf die wesentlichen Ergebnisse der Fachgutachten eingegangen.
Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag
Also mir blieb die Spucke weg! Wo liegt die Begründung der Nichtöffentlichkeit, zumal die Gutachten öffentlich zum Download bereitgestellt werden?
Was macht der Parlamentarier? Er stellt einen Antrag!
Antrag AUF Nr. 23.23 zur Sitzung des Ortsbeirates am: Dienstag, 26. September 2023
Ostfeld: Ortsbeirat einbinden – auch bei Präsentationen von Gutachten!
Der Ortsbeirat wolle beschließen:
Der Magistrat wird gebeten
- Den Ortsbeirat Kastel zur Veranstaltung am 17. Oktober 2023 ins Rathaus einzuladen, an dem das Stadtplanungsamt Gutachten zum Klima und zum Fluglärm im Rahmen des Projekts Ostfeld präsentieren wird.
- Dem Ortsbeirat Kastel die Präsentationen vorab zur Vorbereitung zur Verfügung zu stellen.
- Im laufenden Prozess sicherzustellen, dass die Informations- und Beteiligungsrechte des Ortsbeirats beachtet und gewährt werden.
Der Antrag wurde so beschlossen – und bis heute vom Magistrat nicht beschieden. Den ganzen Antrag gibt es hier: Ostfeld: Ortsbeirat einbinden | AUF AKK (auf-akk.de)
Ist das die vom Magistrat immer wieder für sich proklamierte Transparenz?
Zur Stimmung im Ortsbeirat die AZ am 6.10.23:
Ortsbeirat Kastel will mehr zum Ostfeld wissen
Mainzer Allgemeine Zeitung vom 6.10.2023
Dann kam er also, der 17.10.23. Ich hatte aufgrund meines Mandats tatsächlich zugang zu der ach so geheimen Sitzung. (ob ich jetzt Ärger bekomme, weil ich daraus berichte? Bin Ärger gewohnt.) Es lief ab wie befürchtet. Pro Präsentation zwanzig Minuten Zeit für Vortrag und zwanzig Minuten für Fragen. Ausdiskutiert? Vertiefte Fragen beantwortet? Nicht im Ansatz!
Pressevertreter:innen habe ich nicht wahrgenommen. Hätte mich auch sehr gewundert und protestieren lassen: schließlich waren wir in einer nichtöffentlichen Veranstaltung!
Umso erstaunter war ich, als ich bereits ab dem nächsten Tag ausführliche Berichterstattung in allen relevanten Zeitungen lesen konnte. Mit wörtlichen Zitaten der Gutachter und Amtsleitungen. Wie war das möglich? Auflösung: Aus dem Rathaus wurde eine halbe Stunde vor der Präsentation zu einer Pressekonferenz via Video geladen, die Journalist:innen zum Stillschweigen bis nach der Sitzung vergattert – und schwupp, hat man die eigene verhängte Nichtöffentlichkeit umgangen! Ist das Transparenz? Ich würde es, sehr freundlich, tricky nennen. Mindestens (Freute mich über Vorschläge). Das liest sich dann so:
Kommentar zu den Ostfeld-Gutachten: Was machen die Grünen?
Wiesbadener Kurier vom 17.10.2023
Ostfeld-Bebauung laut Gutachtern prinzipiell möglich
Wiesbadener Kurier vom 17.10.2023
Ostfeld in Wiesbaden: Nur niedrige Häuser und viel Grün erlaubt
Frankfurter Rundschau vom 18.10.2023
Lärm und Klimaveränderung kein Hindernis
Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 18.10.2023
Meta-Fazit der Presse: Alles gut! Das Ostfeld kann kommen! Die Wiesbadener Pressestelle spricht von „erreichten Meilensteinen“, keine kritischen Nachfragen, keine kritischen Punkte. Alles eitel Sonnenschein.
Wirklich? Die BI Hände Weg von Os/Ka macht dann doch sehr nachdrücklich auf den Schwachpunkt Fluglärmgutachten aufmerksam. Der Oberbürgermeister spricht von „abgeschlossenen Fachgutachten“, der eigene Gutachter präsentiert:
„Die Messung ersetzt nicht die Berechnung über den Verlauf eines möglichen Lärmschutzbereichs.“
Mit anderen Worten: das als „abgeschlossene Fachgutachten“ ist nicht gesetzeskonform und nicht gerichtsfest.
Die Pressemitteilung mit Quellennachweisen findet ihr hier: Ostfeld: „Fluglärm stört angeblich kaum“ – Bündnis Stadtklima Mainz-Wiesbaden (buendnis-stadtklima.de) Zum Anfüttern ein Screenshot:
Die Presseerklärung der Stadt vom 24. Oktober 2023 mit der Headline
ist ein perfekter Übergang zum nächsten Thema:
Kosten- und Finanzierungsübersicht (KoFi) 2023
Zur Erinnerung: wenn bei einer SEM nach der Vermarktung der „günstig erworbenen“ Grundstücke (= im Zweifel Enteignung) Kosten überbleiben, dann zahlt die Kommune die Zeche, also die steuerzahlende Wiesbadener Bürgerschaft. Die SEM ist ein vom Gesetzgeber detailliert geregeltes Instrument (vom Ex-OB Gerich einst „scharfes Schwert“ genannt).
So ist die Kommune verpflichtet, jährlich ein sogenannte KoFi (Kosten- und Finanzierungsübersicht) vorzulegen. Und natürlich ist die Zahl unter dem Strich die spannendste: Auf welchen Kosten bleibt Wiesbaden sitzen?
Bei der letzten KoFi 2022 waren es (von der SEG selbst errechnete) 113 Millionen Euro. Schon da ist die Frage der Machbarkeit und Sinnhaftigkeit berechnet: warum sollen die Wiesbadener:innen sich ihre letzte große Freifläche, deren Bedeutung als Kaltluftentstehungsgebiet und Ackerfläche unbestritten ist, für weiteren Zuzug nicht nur zerstören lassen, sondern auch noch teuer dafür bezahlen?
Eben! Ich sehe das auch nicht ein!
Hier die dazugehörige Presse:
Das Wiesbadener Ostfeld wird wohl noch teurer
Wiesbadener Kurier vom 26.10.2023
Kommentar zum Ostfeld-Projekt: Unsicherheiten
Wiesbadener Kurier vom 26.10.2023
Der lange Weg zu einem neuen Stadtteil
Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 31.10.2023
Kommentar: Wiesbaden erwartet beim Ostfeld noch Überraschungen
Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 31.10.2023
Ortsbeirat Kastel ist empört über die Stadt Wiesbaden
Wiesbadener Kurier vom 2.11.2023
Wir sind in der aktuellen Lage angekommen. Der Wind, so spüre ich es, dreht sich. Ich behaupte, die Mehrheit der Wiesbadener:innen lehnen die Bebauung von Ostfeld und Westfeld (mittlerweile) ab. Jetzt dranbleiben!
Kommt zu den Veranstaltungen in der kommenden Woche:
Hier zum Schluss noch unkommentierte Artikel:
Fest der Aktionsgemeinschaft für den Erhalt des Westfelds
Wiesbadener Kurier vom 9.10.2023
So könnte Wiesbaden gegen die Überalterung anwachsen
Wiesbadener Kurier vom 11.10.2023
Kommentar zur Bevölkerungsprognose: So wird’s nicht kommen
Wiesbadener Kurier vom 11.10.2023
Puh, das ist wieder viel geworden! Das Thema ist offensichtlich komplex und wichtig.
Wir. Bleiben. Dran!
Herzlicher Gruß
Ronny Maritzen
PS: Teilen und Feedback, auch Themenvorschläge, erwünscht und willkommen. Ein Blick ins Update-Archiv gibt es hier: https://www.buendnis-stadtklima.de/ostfeld-update/
Außerdem lesenswert:
- Pressemitteilung der Grünen Fraktion Wetterau vom 3.10.2023 zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zum Rewe-Logistikzentrum/Wölfersheim: „Schluss mit dem Missbrauch der Zielabweichung“